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Christlich leiten und sich leiten lassen

Von der Kunst eines guten Miteinanders

Immer wieder spreche ich mit Menschen, die sich in Gemeinden engagiert oder bei einem kirchlichen Träger gearbeitet haben und dabei enttäuscht worden sind. „Die Kirche ist ein schlechter Arbeitgeber“ höre ich oft oder „wir haben kaum Wertschätzung erfahren“, „ich bin in meiner Gemeinde von anderen Menschen schlecht behandelt worden“.

Enttäuschungen, Kränkungen und Verletzungen. Entweder wechseln Menschen nach solchen Erfahrungen ihre Gemeinde bzw. ihren Arbeitsplatz und nehmen dabei Verunsicherung und Misstrauen mit. Manche schlagen vorerst einen Bogen um alles kirchlich-christlich-fromme. Oder aber sie setzen sich mit ihren Enttäuschungen auseinander und suchen das Gespräch.

Reden hilft

In unserer Beratungsstelle sprechen wir mit Menschen, die sich solchen schwierigen Erfahrungen widmen. Enttäuschungen finden sich dort, wo Vorgesetzte sich kränkend, grenzüberschreitend oder ignorant gegenüber ihren MitarbeiterInnen verhalten haben. Oder dort, wo überhöhte Erwartungen an Vorgesetzte den Blick auf die eigene Verantwortung trüben.

Beratung und Supervision kann helfen, die unterschiedlichen Aspekte zu beleuchten. Wir sprechen über die jeweiligen Verhaltensweisen und Anteile, die in Konfliktsituationen bedeutsam sind. Manchmal erkennen Menschen Muster aus der eigenen Kindheit wieder, die in einem aktuellen Konflikt zutage treten. Einiges davon lässt sich bearbeiten und verändern, anderes nicht.

Leitungsverantwortung als besondere Herausforderung

Als Leiterinnen und Leiter stehen Menschen in einer besonderen Verantwortung. Es wird von ihnen erwartet, dass sie sich wertschätzend und zugewandt verhalten. Dass sie sich für die Bedürfnisse und Nöte anderer Menschen interessieren. Dass sie Krisen mit Geschick, Reife und Diplomatie bewältigen. Und diese Erwartungen haben eine Berechtigung.

Damit ist nicht gemeint, dass sie unfehlbar sein sollen. Niemand kommt durch sein Arbeitsleben, ohne andere zu verletzen. Auch nicht mit den allerbesten Absichten und der größtmöglichen Vorsicht. Aber Menschen in Führungspositionen sollten die Bereitschaft mitbringen, kontinuierlich und offen an ihrer Persönlichkeit und ihrem Umgang mit anderen zu arbeiten. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um zum Segen und Nutzen für die Menschen werden zu können, für die sie Verantwortung tragen.

Thomas Härry hat zu diesem Thema ein wunderbares Buch geschrieben. Er beschreibt darin vier Bereiche, die eine gute Führungspersönlichkeit auszeichnet. Sie führt:

  1. selbstbewusst
  2. menschenfreundlich,
  3. wirkungsvoll und
  4. Gottgelassen.

Ich denke, dass der vierte Punkt die drei anderen bedingt. Erst wenn sich Leiterinnen und Leiter sich von Gott leiten lassen und von dort ihre Ausrichtung und Aufgaben annehmen, können sie andere Menschen im besten Sinne fördern und motivieren. „Die größte Kraft- und Motivationsquelle findet ein Leiter dort, wo er im Blick auf seine Eigenmotivation nicht auf sich selbst zurückgeworfen ist. Er kann sich auf den Boden der Gewissheit stellen: Mein Leben ist mir von Gott geschenkt. Ebenso meine Schaffenskraft, meine Aufgaben, meine Gaben und Stärken.“ Sehr lesenswert!

Thomas Härry: Von der Kunst andere zu führen, SCM Hänssler, 2015

Daniela Lang